Neues Jahr, neues Glück, neues Arbeiten? Im Jahr 2020 haben wir einige Veränderungen in der Arbeitswelt miterleben dürfen: mehr Home Office, Home Schooling, virtuelle Präsenz und „remote arbeiten“. Können wir in diesem Kontext überhaupt noch Trends für Neues Arbeiten in 2021 visionieren?
Mit dieser Frage beschäftigten wir uns beim ersten New Work Berlin Meetup in 2021. Beim Blick nach vorne greifen die Teilnehmenden natürlich auch auf die Erfahrungen aus der Vergangenheit zurück. Aus diesem Grund erfährst du im ersten Teil dieses Artikels die relevanten Erkenntnisse und Neuerungen des letzten Jahres. Im zweiten Teil stellen wir die New Work Trends des Jahres 2021 vor. Wenn du dich nun fragst: “Was ist denn New Work eigentlich?”, dann laden wir dich ein, die wichtigsten 25 New Work Themen kennenzulernen. Der Artikel gibt einen guten Einstieg in die Materie.
New Work 2020 – ein Rückblick
2020, was für ein Jahr! Beim New Work Berlin Meetup im Januar letzten Jahres ging es um Antitrends. Im Sinne von: Wie kann man die neue Arbeitswelt so richtig effektiv verhindern? Dieser Frage wurde damals sozial undistanziert und in einer großen Gruppe sehr unterhaltsam beantwortet, zum Beispiel mit spontanen Schauspiel-Einlagen einzelner Kleingruppen. Das ist wie eine Erinnerung wie aus einer anderen Zeit. Interessanterweise gab es damals keinen Punkt zu Home Office oder Remote Work, eher Vorschläge in Richtung Kommunikation und Mitarbeiterzentrierung.
Was sich in 2020 hauptsächlich verändert hat
Das reale 2020 hat uns wohl alle geprägt. Mehr als wir vielleicht ahnen und im Januar 2020 hätten vorhersehen können. Zu der Eingangsfrage gab es von den Teilnehmenden folgende Beobachtungen, Meinungen und Erfahrungen.
Corona ist eine Erfolgsstory für das Home Office
- Home Office & Flexibilität in der Arbeitszeit war vorher immer mal wieder ein Thema, aber auch in vielen Unternehmen noch mit der Einstellung “das geht nicht” behaftet.
- Corona zeigte uns, wie veränderungsbereit und anpassungsfähig Menschen bei dem plötzlichen Wechsel ins Home Office sind.
- Die Produktivität ist in vielen Bereichen tatsächlich nicht gesunken.
- Krankheitstage sind stark gesunken (Ist das eigentlich gut oder schlecht?!).
Corona zeigt die Probleme des Home Office
- Es folgte oft die Erkenntnis, dass im Home Office auf Dauer der soziale Austausch fehlt. Nicht alles ist nur toll – das haben aber viele gedacht vor Corona.
- Anfangs waren Initiativen wie Chat Roulette erfolgreich, Virtual Coffees und ähnliches wurde eingeführt. Hier gab es im Laufe des Jahres jedoch eine starke Ermüdung.
- Die Trennung von Beruf und Freizeit wurde durch Home Office schwieriger, dadurch fällt oft auch das Abschalten nach der Arbeit schwer.
- Es stellt sich die Frage: Wie gestalte ich meine Arbeitszeit und meinen Arbeitsplatz in meinem Zuhause?
Was kommt nach Corona?
- Arbeitsort: manche wollen das Home Office als Normalität, andere wollen lieber zurück ins Büro – wie kann man das verbinden und/oder managen?
- Passen überhaupt noch alle Leute ins Büro, die in der Zwischenzeit eingestellt wurden? Oder ist das Büro umgekehrt vielleicht viel zu groß geworden?
- Werden wir jemals wieder für kleine Meetings und Treffen reisen?
Weitere Beobachtungen und Veränderungen
- Es gab umwerfende und radikale Änderungen, vor allem für Einzelunternehmer und Freelancer, die sich nicht in der Sicherheit einer Konzernstruktur befinden.
- In vielen Bereichen wird plötzlich Digitales möglich, wo dies früher nie denkbar gewesen wäre (zum Beispiel Team Events).
- Viele Berufe und Tätigkeiten in bestimmten Branchen sind komplett weggefallen, wie beispielsweise die Event-Branche oder Gastronomie. Dadurch orientierten sich Menschen neu.
- Wenn es plötzlich um die Existenz geht, wird auch darauf geachtet, was wirklich wichtig ist. Leider wurde manchmal New Work als Luxus-Thema in Frage gestellt, wenn nicht klar war, ob es wirklich einen nachhaltigen Zweck erfüllt.
- Gespräche über Digitalisierung sind stark geprägt von Start-Ups und großen Unternehmen. Dazwischen gibt es viele Mittelständler, die noch gar nicht die Möglichkeiten der Digitalisierung, beispielsweise für dezentrale Produktionsprozesse bei Maschinenbauern, kennen und jetzt aber entdecken (müssen).
- Auch großen Home Office-Fans fehlt der sozialer Austausch. Gleichzeitig ist die Arbeitswelt irgendwie aber auch persönlicher geworden, z.B. dadurch, dass man in Videocalls das Wohnzimmer der Kolleg:innen sieht und manchmal Kinder durch die Kamera laufen. Zusätzlich hat auch die Frage “Wie gehts dir eigentlich?” ein ganz anderes Gewicht bekommen. Es herrscht mehr Offenheit zuzugeben, dass es einem mal nicht gut geht – auch wenn man sich eigentlich nicht so gut kennt.
Das sind die New Work Trends für 2021
In der New Work Community gibt es Teilnehmer aller Couleur. Daher fanden wir es sehr spannend, die unterschiedlichen Bedingungen und Vorhersagen für dieses Jahr aufzunehmen. Sie geben ein Spiegelbild der unterschiedlichen Herausforderungen einzelner Branchen und Berufszweige wider. Die Zeit wird zeigen, ob dies fromme Wünsche sind oder Realität werden.
Wir werden mehr Augenmerk auf die soziale Komponente des Arbeitens legen
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Wir werden unseren individuellen Rhythmus gegenseitig akzeptieren (z.B. wann bin ich produktiv, wann nicht?), auch wenn dies eventuell weniger Überschneidungszeit mit den Kolleg:innen bedeutet.
- Wir werden unsere eigene Fähigkeit der Selbstorganisation erweitern, dabei achtsamer mit uns selbst sein und uns nicht (mehr) überfordern (lassen).
- Wir werden uns gegenseitig mehr vertrauen, dass jeder seine Arbeit schon gut macht und gleichzeitig Verständnis und Mitgefühl aufbringen, wie es den Menschen geht.
- Wir werden auf sozialen Austausch achten, zum Beispiel verpflichtend regelmäßig intensiv im Team treffen. Ansonsten kann jede:r Aufgaben abarbeiten, wo und wann man will und damit mehr Flexibilität genießen.
- Wir werden die sozialen und menschlichen Herausforderungen des hybriden Arbeitsmodells beachten, wenn irgendwann wieder Menschen im Büro sind und andere weiterhin remote arbeiten.
Wir werden Agilität als neue Realität erfahren
- Agiles Arbeiten (“Fahren auf Sicht”) wird eine standardmäßige New Work Komponente. Langfristige Planungen entwickeln sich eher zur Ausnahme. Gleichzeitig werden wir mehr Wert auf die Vision und den Purpose der Arbeit legen. (Siehe auch der Artikel über Purpose)
- Sich immer wieder schnell auf wechselnde Situationen einstellen können wird gefördert, anstatt sich an Planungen starr festzuhalten.
- Die Akzeptanz für moderne Arbeitsweisen und Agilität wird steigen. Es ist okay, dass nicht alles zu 100% vorausgesagt werden kann und es ist auch okay, wenn Pläne völlig über den Haufen geworfen werden müssen.
- Die Fehlerfreundlichkeit steigt und wir lernen ständig weiter. (Siehe auch der Artikel über New Learning aus dem Oktober 2020)
Wir werden die Chancen der Digitalisierung weiter nutzen
- Die Koordination von Arbeit wird noch digitaler und datengetriebener. Dies bietet auch die Chance, durch digitale Tools Partizipation zu vereinfachen, Arbeitsabläufe transparenter zu gestalten und aus der Vergangenheit zu lernen.
- Dabei werden wir geleitet von den Fragestellungen: “Wie arbeiten wir gemeinsam?” und “Wie können wir die Arbeitsumgebung personalisiert und individualisiert gestalten?”
Wir werden menschliche Netzwerke noch stärker nutzen
- Wir werden uns mehr Austauschen über unsere neuen Arbeitsformen und gegenseitig inspirieren, wie Arbeiten besser werden kann. Dabei nutzen wir unser Netzwerk über die Arbeitskolleg:innen hinaus.
- “Empfehlungs-Programme” werden von Unternehmen noch stärker gefördert, um neue Mitarbeitende zu finden, d.h. Firmen incentivieren ihre eigenen Mitarbeitenden, neue Kolleg*innen aus ihrem Netzwerk zu werben.
Unser Fazit
In 2020 haben wir viel über spontane Veränderung, Planungsunsicherheit, unsere eigene Flexibilität und Verletzlichkeit gelernt. Es scheint, als ob wir auch in 2021 nicht zurück in die „alte Normalität“ gehen werden, sondern dass sich unsere Arbeitswelt aufgrund von Corona noch weiter verändern wird. Dabei werden wir trotzdem jede Möglichkeit nutzen, menschliche Nähe wieder verstärkt zuzulassen. Sicherlich können wir von Glück reden, dass es vielen Personen durch digitale Tools möglich war, trotz einer globalen Pandemie ihrer Arbeit nachzugehen. Die negativen Effekte, wie zum Beispiel soziale Isolation, und ihre Folgen werden uns auch in der Zukunft beschäftigen. Uns allen fehlen die realen menschlichen Begegnungen, im Privat- und Arbeitsleben, und in der New Work Community. Wir wünschen uns allen viel Optimismus, Solidarität, Kreativität und Visionskraft. So können wir trotz aller Umstände auch heute schon die Zukunft der Arbeit positiv gestalten – ganz im Sinne der vier oben aufgeführten New Work Trends.
Unsere Gastautoren
Jens Hündling ist freier Trainer und Coach für digitale Transformation und New Work. Als ehemalige IT-Führungskraft kommuniziert er lieber mit Menschen als mit Maschinen und entwickelt leidenschaftlich Teams und Organisationen. Vor allem mit ostfriesischem Humor. Mehr über ihn unter https://dr-huendling.de
Clarissa Napierski ist Psychologin, Betriebswirtin und New Work Facilitator. Sie hat in den letzten Jahren in Startups sowie mittelständischen Unternehmen den Aufbau moderner Personalarbeit vorangetrieben und Organisationsentwicklung begleitet. Seit kurzem ist Clarissa auch als freiberufliche Trainerin für Team- und Personalentwicklung tätig.
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